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Offener Brief von Prof. Dr. Jörg Meuthen an Cigdem Toprak

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Liebe Leser, vor wenigen Tagen hat die junge deutschtürkische Autorin Cigdem Toprak in der ,,Welt’’ einen bemerkenswerten Brief geschrieben, mit dem sie sich an die Wähler unserer Bürgerpartei, der AfD, gewandt hat. ,,Ja, ich gehöre zu jenen, die glauben, dass man mit Ihnen sprechen, Ihre Sorgen ernst nehmen sollte’’, schreibt Toprak.

Einige unserer Sorgen teilt sie durchaus, wenn sie etwa schreibt: ,,Auch ich bin wütend und balle meine Hand zur Faust, wenn ich vollverschleierte Frauen sehe. Wütend auf das System, das Frauen und ihre Männer glauben lässt, dass man ihre Würde mit dem Schleier verteidigen müsse.’’

Gleichzeitig appelliert sie an die Menschenwürde und hält ein Plädoyer gegen Hass, Hetze und Rassismus. All das meint sie in unserer Partei zu entdecken – eine Position, die man ihr nicht unbedingt zum Vorwurf machen sollte, wird sie doch von den Massenmedien und unseren politischen Gegnern wieder und wieder kolportiert.

Den Brief schrieb Frau Toprak ,,mit der Überzeugung, dass wir nur im Dialog die politischen und gesellschaftlichen Spannungen in unserem Land lösen können’’. Sie signalisierte ganz offen Dialogbereitschaft, die notwendig sei, um dieses Land voran zu bringen.

Das ist genau, was auch wir immer wieder fordern. Und so entschloss ich mich, ihr möglichst auf gleichem Wege mit einem ebenfalls offenen Brief zu antworten . Auf entsprechende Anfrage erklärte sich ,,Welt’’-Chefredakteur Ulf Poschardt bereit, diesen auch zu veröffentlichen. Kurz nachdem er den besagten Brief dann heute früh erhalten hat, sagte er indessen ab – Teile des Inhalts seien „off topics“, so seine fadenscheinige und sachlich schlicht falsche Ausrede. Ich könne ja gerne einen zweiten – implizit: ihm genehmeren – Entwurf liefern.

Was ich natürlich weder tun konnte noch wollte. Was ich Frau Toprak zu sagen hatte, steht genau so in dem Brief, den wir der „Welt“-Redaktion zugesandt hatten. Es ist nun wahrlich nicht meine Aufgabe, dem Chefredakteur der „Welt“ genehme Antwortentwürfe zu fertigen. Es wäre aber sehr wohl Herrn Poschardts Aufgabe, sich an die Sorgfaltspflicht im Journalistenkodex zu entsinnen, die gebietet, auch Meinungen zu veröffentlichen, die die Redaktion nicht teilt (worauf ja auch ausdrücklich hingewiesen werden kann).

Natürlich kann man den Chefredakteur der ,,Welt’’ nicht zwingen, meinen Brief zu veröffentlichen. Dass er sich weigert, dies zu tun, ist dennoch traurig, verweigert er doch genau das, was seine Autorin Cigdem Toprak mit vollem Recht einfordert: Dialogbereitschaft, um gemeinsam die Probleme dieses Landes zu lösen. Ulf Poschardt ist daran offensichtlich nicht interessiert.

Den Brief von Cigdem Toprak können ,,Welt''-Abonnenten hier lesen (leider, der Brief ist durchaus lesenswert, dürfen wir ihn hier aus rechtlichen Gründen nicht selbst abdrucken):
5. März 2018 | Cigdem Toprak Brief einer Deutschtürkin an die AfD-Wähler

Nachstehend nun meine Antwort an Cigdem Toprak in genau dem Wortlaut, wie ich sie heute früh der „Welt“-Redaktion mit der Bitte um Veröffentlichung zugesandt hatte. Ich bin überzeugt, Frau Toprak wird meine Antwort auch auf diesem Wege erhalten.

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Liebe Frau Toprak,

Sie haben vor wenigen Tagen in dieser Zeitung einen in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Brief an die AfD-Wähler geschrieben. Als AfD-Wähler und zugleich als Bundesvorsitzender dieser jungen Partei ist es mir ein Bedürfnis, Ihnen auf Ihren offenen Brief ebenso offen zu antworten.

Zunächst einmal möchte ich Ihnen für einiges danken. Zum Beispiel dafür, dass Sie den Dialog mit uns suchen. In der politischen Landschaft unseres Landes gibt es viele, die genau das verweigern. Ihre Worte belegen eindrucksvoll, dass Sie besser als andere verstanden haben, wie Demokratie und Meinungsfreiheit tatsächlich funktionieren, nämlich nur im offenen Dialog und im Ringen um die besten Lösungen. Zum Beispiel für Ihr genaues Hinsehen in alle Richtungen, denn Ihre Kritik an meiner Partei wie auch an unseren politischen Gegnern und an von Ihnen beklagten Zuständen, die in unserem Land inzwischen unübersehbar sind, zeigt, dass Sie das tun. Schließlich für Ihr klares und umfassendes Eintreten für die Menschenwürde.

In Ihrem Brief schwingen auch die üblichen Vorurteile über die AfD mit. Das ist Ihnen nicht vorzuwerfen, denn erstens werden diese Vorurteile täglich tausendfach medial kolportiert, und zweitens gibt es vereinzelt in der Tat sprachlich wie inhaltlich indiskutable Äußerungen von einigen wenigen Mitgliedern meiner Partei, die diesen Vorurteilen leider Nahrung gegeben haben.

Lassen Sie mich Ihnen, das ist mir sehr wichtig, deshalb in meiner Funktion als Vorsitzender der AfD einige Dinge sagen, die Ihre Unsicherheit im Hinblick auf die Einstellung meiner Partei zu Ihrer Herkunft und Ihrem Namen hoffentlich nachdrücklich beenden. Fast trotzig schreiben Sie gleich zu Beginn: „Auch ich bin Deutsche. Dieses Land ist auch meine Heimat.“ Darf ich Ihnen dazu etwas sagen: Lassen Sie doch einfach das „auch“ weg. Natürlich sind Sie Deutsche! Natürlich ist das Ihre Heimat, wenn Sie hier aufgewachsen sind. Sie schreiben Ihre engagierten Zeilen in tadellosem Deutsch. Aus jedem Ihrer Worte ist herauszulesen, dass dies hier Ihr Land ist, um dessen Zukunft Sie sich offenbar ebenso Sorgen machen, wie wir AfDler es tun.

Alles, was Sie schreiben, fußt auf den Wertvorstellungen unseres gemeinsamen Grundgesetzes. Warum also sind Sie „auch“ Deutsche? Sie sind es ebenso wie ich es bin und viele Millionen anderer Menschen dieses Landes. Daran ändert doch Ihr Name, der die türkische Herkunft Ihrer Familie aufzeigt, rein gar nichts. Und das schreibe ich Ihnen nicht nur als einzelnes AfD-Mitglied, sondern in meiner Funktion als Bundessprecher der AfD, fußend übrigens auf unserem Bundesprogramm, das sich einmal genauer anzuschauen ich Sie nur bitten kann.

Wir sind eine dezidiert konservative Partei. Wir sind auch bekennende deutsche Patrioten. Und wir sind entschiedene Verfechter einer freiheitlichen Gesellschaft. Zugleich gibt es in unserer Partei Menschen türkischer Herkunft, es gibt Menschen schwarzafrikanischer Herkunft, es gibt überhaupt sehr viele Mitglieder mit den verschiedensten Migrationshintergründen, es gibt Menschen hetero- wie homosexueller Orientierung, es gibt sogenannte „Linke“ wie auch „Rechte“ (weder das eine noch das andere halten wir für verwerflich, denn wir meinen es ernst mit der Meinungsfreiheit). Darin liegt kein Widerspruch. Den versuchen allerlei Zeitgenossen uns in überkommenen, unserer Zeit nicht mehr gerecht werdenden Denkmustern zu unterstellen. Aber sie irren.

Lassen Sie mich, da dieser Schriftwechsel öffentlich in der „Welt“ stattfindet und Sie es selbst ansprechen, eine Anmerkung zu dem von Ihnen „geschätzten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel“, vornehmen. Ich stelle bewusst voran: Herr Yücel ist Deutscher. Und er ist Journalist. Und er genießt volle und uneingeschränkte Meinungsfreiheit wie jeder andere auch.

Nun werden Sie aber seine geradezu hasserfüllten Tiraden gegen Deutschland, seine Kultur und seine Menschen sicher auch kennen. Wenn Herr Yücel neben vielen ganz ähnlich anmutenden Formulierungen die demographische Entwicklung unseres Landes als „Völkersterben von seiner schönsten Seite“ bezeichnet, dann sprechen wir ihm zwar nicht seine rechtliche Existenz als Deutscher ab. Sehr wohl aber erscheinen uns Zweifel an seiner deutschen Identität hier angebracht. Und wenn er einen Menschen mit einer leichten Behinderung als „eine lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur“ bezeichnet, „dem man nur wünschen kann, der nächste Schlaganfall möge seine Arbeit gründlicher verrichten“, dann frage ich Sie, woraus Sie Ihre Wertschätzung für den Verfasser solcher menschenverachtender, die von Ihnen angemahnte Menschenwürde radikal verletzender und im Kern rassistischer Zeilen speisen.

Ich kann mich dieser Wertschätzung für einen Menschen, der sich so artikuliert, nicht anschließen. Übrigens ganz gleich, wer das ist und ob sein politisches Herz links oder rechts schlägt. Und doch würde ich die Möglichkeit, eine solch abstruse Meinung äußern zu können, auch wenn Sie mich noch so sehr anwidert, jederzeit verteidigen, weil das Bestandteil einer freiheitlichen Gesellschaft ist.

Gerade Ihren Ausführungen zur Menschenwürde, Frau Toprak, kann ich mich nur anschließen, auch im Hinblick auf die Migrationsdiskussion, deren Problematik Sie reflektiert und mit Recht ansprechen. Diese Diskussion müssen alle führen, denen an einer gedeihlichen Zukunft unserer gemeinsamen Heimat gelegen ist. Dazu gehören Sie ebenso wie sehr viele andere Menschen, die mit Migrationshintergrund hier leben, arbeiten, das Gesetz respektieren, ihre großen und kleinen Freiheiten der offenen Gesellschaft leben und vielleicht – hoffentlich – sogar mutig diejenigen anderer Menschen verteidigen, wie Sie es tun.

Und die Freiheit und Würde all dieser Menschen, also auch die Ihre, weil Sie uns das konkret fragen, zu schützen, ist unser Auftrag. Das versuchen wir, jeden Tag und gegen alle Widerstände.